19 Nov

Konzentration, Taktik und Stehvermögen

Aus: Wetterauer Zeitung vom 19.11.2015.

(mh)Dass sich die Bad Nauheimer Eisstockschützen Eishoppers nennen, haben Schweizer beeinflusst. Doch warum sie auch am Samstag wieder ein Vier-Hasen-Turnier austragen und ihre Teams Moarschaften nennen, kann nur ihr Chef Rainer Pfeffer erklären. Als die Eisstockschützen der Kurstadt vor 48 Jahren einen Namen für sich suchten, waren gerade die Grashoppers Zürich in aller Munde. Klar, dass es der damalige Mitbegründer Willi Schnautz naheliegend fand, die neue Abteilung Eishoppers zu taufen. Doch der Spaß am Wortspiel ging damals noch weiter, weil auch dem vereinseigenen Turnier in der Kurstadt ein originelles Siegel verpasst werden sollte. »Von den Hoppers kam man zum Hoppeln der Hasen. Und weil vier Leute bei uns eine Mannschaft bilden, wurde das Turnier zum Vier-Hasen-Cup«, erläutert Rainer Pfeffer, der Vorsitzende, der mit seinen Mitstreitern am kommenden Samstag Folgerichtig den 48. Vier-Hasen-Cup im Bad Nauheimer Eisstadion über die Bühne bringen will, der in Gedenken an den Namensgeber diesmal auch als Willi-Schnautz-Gedächtnisturnier ausgeschrieben ist.

Bad Nauheimer Turnier boomt. Dass die »Vier Hasen« nach wie vor eine große Anziehungskraft im ganzen Land ausüben, freut Rainer Pfeffer natürlich. Während andere Turniere wegen mangelndem Interesse ausfallen müssen, haben sich für die Bad Nauheimer Veranstaltung sechs Damenund 25 Herren-Teams angemeldet, wobei nur 22 männliche Formationen starten dürfen. »Es hat sich halt herumgesprochen, dass unser Turnier sehr gut organisiert ist. Und viele kommen natürlich auch zu uns, weil wir sie auf ihren Wettkämpfen besuchen«, sagt Pfeffer, der für Samstag schon einmal für 130 Sportler Erbseneintopf geordert hat. Rainer Pfeffer hat 1989 den Eishoppers-Vorsitz übernommen und investiert seitdem den Großteil seiner Freizeit in den Sport. »Früher habe ich auch Fußball und Tennis gespielt«, sagt er, »doch 1978 hat mich dann mein Onkel mal mitgenommen zu den Eisstockschützen. Und das hat mich fasziniert.« Der Reiz sei für ihn, dass man sich taktisch und persönlich immer weiterentwickeln müsse. Zudem benötige man Stehvermögen und Kondition, um bei den sechs- bis achtstündigen Turnieren die Konzentration aufrechtzuerhalten. Sommersport in Rödgen »Bei uns gewinnt nicht der, dem im Verlauf des Wettkampfes zwei, drei spektakuläre Schüsse gelingen, sondern der, dem 20 normale glücken«, erklärt der Bad Nauheimer, der seinen Präzisionssport mit dem Boule vergleicht und natürlich auch weiß, dass ihn viele mit dem Curling verwechseln, bei dem das Eis von Mitspielern freigeschrubbt wird, während der Stock zu seinem Ziel steuert. Beim Stockschießen dagegen ist es die Vorgabe, so viele Stöcke wie möglich am nächsten an die Daube zu bringen. Dabei kann der Spieler einmal drei und zweimal zwei Punkte für das Mannschaftsergebnis ergattern. »Da stehen unendlich viele taktische Varianten und Finten zur Disposition, die für Außenstehende schwer zu erkennen sind«, weiß Pfeffer, der die Wahl der Platten unter dem Stock als Beispiel nennt. Denn es gibt grüne, schwarze, gelbe oder blaue, die allesamt unterschiedlich gleiten.
Dass die Eishoppers im Sommer auch Grashoppers sind, ermöglicht ihnen eine Asphalt-Bahn am Rödgener Sportplatz, wo bei wärmeren Temperaturen auch die Geselligkeit gepflegt wird. Außerhalb der Eissaison haben die Bad Nauheimer in den letzten Monaten rund 20 Sommerturniere im ganzen Land besucht, wobei die Akteure für Fahrtund Hotelkosten nicht nur den eigenen Idealismus mitbringen müssen. »Das geht natürlich nur, wenn der Partner mitspielt«, sagt Pfeffer und meint das durchaus wörtlich. Denn seine Lebenspartnerin Daniela Müller hat gerade eine 5er-Damenmannschaft gegründet mit Verstärkungen aus Lauterbach und Heppenheim. Auch die zwölf Herren setzen in ihren Teams auf vier Heppenheimer Gastspieler, die lieber nach Bad Nauheim kommen, statt ins für sie nähere Frankfurt zu pilgern, obwohl die Trainingszeiten montags um 20.30 Uhr nicht gerade sehr attraktiv sind.

Am Start sind die Wetterauer Eisstockschützen in der Bundesliga, die hierzulande über der Oberliga die höchste Klasse ist. In der Hochburg Bayern dagegen, wo man über rund zehn unterschiedliche Spielklassen verfügt, wäre man wohl in der fünften oder sechsten Liga angesiedelt, schätzt Pfeffer, der derzeit nur ein Problem hat. Denn der Eisstocksport in Bad Nauheim droht auszusterben, wenn sich nicht bald auch mal jüngere Akteure für diesen Sport begeistern. Aus diesem Grund werden Firmenevents und Schulaktionen im Sommer angeboten, während auch beim Bad Nauheimer Eishockey-Heimspiel am Sonntag gegen Freiburg eine kürzere Demonstration in der Pause geplant ist. Dass die Eisstockschützen schon immer auch begeisterte Sprachspieler waren, zeigt auch der Begriff Moarschaft, den viele für einen Schreibfehler halten. »Wer einen Stock ins freie Feld schießt, schießt ihn ins Moar«, erklärt Rainer Pfeffer und ist sich bewusst, dass das für so manchen ungewohnt klingt.